Das Ende der Machbarkeitsillusion (4)

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Wenn man die Corona-Krise betrachtet, macht es keinen Sinn, den nächsten Stein in den Polarisierungsteich zu werfen. Lassen Sie uns einen nüchternen Blick auf die Phänomenologie des staatlichen und politischen Handelns werfen. Der Staat hat getan, was in einer risikobehafteten Gesellschaft, die vom Machbarkeitswahn besessen ist, zu erwarten ist, schon allein deshalb, weil alle in Europa das Gleiche getan haben.

Ich denke, wir sehen auch, dass der Staat sein Blatt in der Corona-Krise überreizt hat. Er tut und tat dies durch Interventionen von hohem symbolischem politischem Wert. Der Kollateralschaden wird nicht ausreichend wahrgenommen, auch weil die Einsicht gar nicht vorhanden ist. Und dieser Schaden hat in der Corona-Krise ein viel zu großes Ausmaß erreicht. Die Proportionalität als Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit droht verloren zu gehen.

Und so entstand das Paradoxon von Anmaßung und Ohnmacht. Wir erinnern uns: Ein Verständnis, das entsteht, wenn der politische Primat im Hinblick auf die Regulation unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens die eigene Potenz nur noch vortäuscht, während er strukturell mit der Realität seiner Impotenz gegenüber Corona und ähnlichen Herausforderungen konfrontiert wird, und wir diese Ohnmacht zwar beiläufig signalisieren, aber im Grunde leugnen.

Die Psychologie ist seit Jahrzehnten eine etablierte Disziplin zur Analyse und Unterstützung von Menschen und Organisationen. Wir zögern jedoch immer noch, sie auf die parlamentarische Demokratie anzuwenden. Und doch wird in der psychologischen Theorie die Verleugnung dieser fundamentalen Ohnmacht einfach Denial, Abwehr genannt. Die kurzsichtigen und unangemessenen Versuche, das Paradoxon mit noch mehr Steuerung, mehr Regierung und noch mehr Regeln zu vertuschen, nennen wir in der Psychologie Rationalisierung. Sie ist auch einen Abwehrmechanismus.

Diese heftigen Abwehrmechanismen sind verständlich. Wenn wir das Paradoxon der Anmaßung/Ohnmacht akzeptieren, ihm in die Augen schauen, sehen, was es ist, hinterfragen wir grundsätzlich das politische Mandat. Staat und Politik werden sich niemals grundlegend in Frage stellen. Aber wenn der Staat nicht mehr wirkmächtig ist, wodurch ist er dann überhaupt noch legitimiert???

Was ist die Lösung?

Im klassischen Sinne des Wortes gibt es keine Lösung. Die Frage zu stellen ist Ausdruck der Machbarkeitsidee: Problem, Analyse, Plan, Lösung. Mit der Analyse und dem Plan extrapolieren wir aber auch Gene des Problems in die Zukunft und schaffen dort die gleichen Probleme.

Wie sonst?

Propagieren wir keine naive Ideologie von Wohlstand, Glück und Gesundheit für alle, keine revolutionären Strategien der Umwandlung, keine populistischen oder extremistischen Theorien der rechten oder linken Signatur. Die Interessen von Millionen guten Menschen in den Niederlande und Deutschland und der nachfolgenden Generationen sind zu groß. Und es gibt zu viele Freibeuter an der Küste, die sich an der Verwirrung einer geschwächten westlichen Zivilisation erfreuen wollen.

Vielleicht gibt es eine Richtung, gibt es einen Weg, den wir gehen können, wenn wir uns allmählich bewusstwerden, dass wir es mit einem „wicked“ Problem zu tun haben. Und möglicherweise zeigt diese Sackgasse auch noch etwas anderes. Vielleicht steht diese Gesellschaft vor einer neuen Bewusstseinsphase.

Diese aufkommende neue Phase ist nicht the Great Reset. Das ist die Machbarkeitsillusion 3.0 auf der Stufe der Weltelite. Der westliche Mensch, der seit einige Jahrzehnten auf einer Bewusstseinswelle reitet und dachte, er sei das Meer. Es ist die Sprache der Größe, des Kapitals und des Anspruchs. Nehmen wir an, es ist gut gemeint, aber es ist das Idiom des Unverwundbaren.

Wie jeder, der sich daran erinnert, wie es war, von der Grundschule zur weiterführenden Schule zu gehen: Wir fangen ganz unten und von vorne an. Auf diese Weise beginnt auch eine neue Bewusstseinsphase. Das altgriechische „Chaos“ bedeutet Leere. Wir werden lernen müssen, in einer hektischen Welt, das Nicht-Wissen zu ertragen. Dies bedeutet nachdrücklich nicht „Un“tätigkeit. Es bedeutet, „nachhaltig“ zu handeln, bestimmt durch die Phänomenologie des Themas: pragmatisch, dosiert und realistisch. Ohne vorzutäuschen, die Welt retten zu wollen oder zu können, ohne Angst zu haben. Und betrachten wir alle Konsequenzen der Maßnahme und nicht nur die, die uns passen. Lasst uns so mal anfangen.

 

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